Die Scherben einer guten Idee

Seit dieser Woche bin ich wieder „auf freiem Fuß“, sechs Wochen in der Tagesklinik sind vorbei. Wenn ich die Scherben zusammenkehre und ein Fazit ziehe, ist das Bild ziemlich eindeutig: Alles fing super an und wurde dann kontinuierlich immer negativer. Das mag daran liegen, dass ich mit zu großen Erwartungen und Hoffnungen in die Therapie gestartet bin. Ich habe ewig darauf gewartet und musste zusätzlich gewisse Anstrengungen unternehmen, so dass vermutlich der Commitment Bias zugeschlagen hat. Wenn ich über lange Zeit Unklarheiten und Einschränkungen in Kauf nehme und sich dadurch meine Hoffnungen und Ansprüche immer weiter hochschrauben, ist die Enttäuschung als logische Folge vorprogrammiert.

Dass zusätzlich zu den ins Unerfüllbare gesteigerten Erwartungen dann aber auch noch immer weiter tiefgestapelt wurde, also sogar die selbstverständlichen und legitimen Erwartungen sich eine nach der anderen an den Tatsachen zerlegten, hätte aus meiner Sicht wirklich nicht sein müssen. Es wurde Ausgerechnet in Themen und Wunden herumgestochert, die für mich eh schon schmerzhaft sind und zur Notwendigkeit der Therapie beigetragen haben. Das habe ich bereits als seitens der Klinik unprofessionell benannt und stehe zu diesem Urteil. Es darf natürlich Kritik geben und ich versuche selbstverständlich, darauf einzugehen, Anforderungen und Wünsche zu erfüllen, damit das Ganze für alle Beteiligten funktioniert. Aber wenn ein Thema beginnt, die Therapieinhalte so zu überlagern, dass die Therapie ins Negative kippt bzw. ich mich durch die ständige Kritik so beeinträchtigt fühle, dass die therapeutischen Interventionen nicht mehr wirken, dann stimmt einfach das Gleichgewicht nicht.

Mir wurde gesagt, ich sei ohne Hund fokussierter und mehr bei mir gewesen. Gleichzeitig steht in meinem Entlassbrief, dass ich ein Problem mit meinem Selbstwirksamkeitsempfinden habe und die Dinge zu negativ sehe. Tja. Ohne Hund bin ich introvertierter und gedämpfter, das heißt aber nicht, dass ich mehr bei mir oder irgendwie ruhiger bin, sondern nur, dass es mir einfach schlechter geht und ich gedrücktere Laune habe. Und dass ich ein Problem damit habe, mich selbstwirksam zu fühlen, wenn mir mein wesentlicher Faktor für Selbstwirksamkeit, nämlich mein Hilfsmittel, das mir beispielsweise eigenständige Mobilität ermöglicht, weggenommen und madig gemacht wird, und zusätzlich meine Abhängigkeit von Anderen in Form von Hundesittern und Fahrdienst sich verstärkt, ist halt leider logisch.

Die nervigen Diskussionen über Arzus Geruch gingen nur auf eine einzige Beschwerde von einem nicht näher bestimmten Menschen ohne Bezug zur Tagesklinik zurück, der zufällig nach mir den Aufzug genutzt und dort Arzus Muff wahrgenommen hatte. Das erzählte mir die Stationspflegerin am Entlasstag. Sie hatte während meines Aufenthalts die meiste Zeit Urlaub gehabt und die Geschichte daher in großen Teilen nicht mitbekommen. Da wir uns aber schon bei meiner Aufnahme sehr gut verstanden hatten und sie es schade fand, dass ich Arzu nach ihrem Urlaub nicht mehr dabei hatte, war sie in den letzten Tagen für mich zu einer Art Informantin und Verbündeter geworden. Dass also diese eine völlig unbeteiligte Person mir meine Zeit dort durch eine einzige Meckerei verhagelt hatte, die dann von drei oder vier Personen auf der Station durch ständiges Thematisieren verstärkt und vervielfacht wurde, ärgert mich im Nachhinein umso mehr. Damit hätten die Bediensteten der Klinik wirklich professioneller und für alle Beteiligten rücksichtsvoller und diplomatischer umgehen müssen, z.B., indem die meckernde Person auf die Hausordnung hingewiesen worden wäre, in der Assistenzhunde ausdrücklich erlaubt sind, und mensch sich einfach mal überlegt hätte, dass Arzus Anwesenheit meinen Therapieerfolg vielleicht hätte unterstützen können. Bei anderen Leuten wird ja auch nicht permanent an ihrer Brille, ihrem Rollator oder ihrem Rollstuhl herumgemosert – oder etwa doch?

Ich erwarte nicht, mit Samthandschuhen angefasst zu werden, aber zumindest Regeln eines vernünftigen Umgangs gelten auch in ungewöhnlichen Sonderfällen und erst Recht in einer Klinik, wo Leute mit und wegen psychischen Schwierigkeiten und Erkrankungen sind. Neben diesen Dingen, auf die das Personal durchaus großen Einfluss gehabt hätte, gab es nämlich auch noch die üblichen, schwerer zu beeinflussenden Faktoren, die sich für mich negativ auswirkten. Dann hätten doch zumindest die beeinflussbaren Dinge rund laufen können und mensch hätte mir nicht dauernd aufs Brot schmieren müssen, dass ich eben dieser exotische Sonderfall bin, für den dann doch andere Regeln gelten als für den Rest.

Auch unter den anderen Patient*innen herrschte nämlich nicht nur Wertschätzung und Rücksichtnahme. Im Grunde schon deutlich mehr als in freier Wildbahn, aber unterschwellig und unbewusst brachen sich dennoch immer wieder latente Feindlichkeiten Bahn. Ob das rassistisch konnotierte Aussagen gegenüber den türkischstämmigen Mitpatient*innen waren, queerfeindliche Bemerkungen, wenn über einen Anamnesefragebogen diskutiert wurde, in dem auch sexuelle Orientierung und Identität abgefragt wurde, oder die Nutzung des Wortes „behindert„, um eine Tatsache oder Person abzuwerten, obwohl ich die so redende Person vorher schon darauf hingewiesen hatte, dass und warum ich die Ausdrucksweise problematisch fand, all das hinterließ bei mir einen sehr faden Beigeschmack und zersetzte immer weiter mein anfänglich so positives Gefühl der Gruppe gegenüber. Diese Dinge richteten sich alle nicht gegen mich und niemand meinte irgendetwas absichtlich böse, aber die Unachtsamkeit und das fehlende Bewusstsein verletzten mich trotzdem.

Für mich bleibt der Eindruck, dass es mir jetzt, nach der Maßnahme, genauso geht wie vorher, nur mit dem Unterschied, dass die Hoffnung auf Unterstützung und Besserung dahin ist. Die Maßnahme, auf die ich seit Jahren gehofft und seit Monaten hingearbeitet hatte, ist vorbei und hat mir gefühlt kaum geholfen. Ein paar Gespräche waren interessant und ein paar Inputs hilfreich, manche therapeutischen Aktivitäten haben mir gut getan und neue Einblicke gebracht, aber im Großen und Ganzen hat sich nichts verändert sondern ich habe nur wieder die Bestätigung dafür bekommen, dass die meisten meiner Probleme einfach nicht verstanden oder gar nicht erst gesehen werden. Bin ich zu pingelig oder zu fragil? Nehme ich mir Dinge zu sehr zu herzen? Und wenn ja, warum darf ich das nicht und es gelten immer nur die Pingeligkeiten und Probleme der Anderen, so dass letztlich doch immer ich zurückstecken und nachsichtig sein muss? Ich möchte auch mal Nachsicht und Rücksichtnahme auf meine Bedürfnisse erleben, aber es verfestigt sich Mal um Mal das Gefühl, dass mir diese Dinge einfach nicht zustehen und ich den Anderen den Vortritt zu lassen habe. So viel zum Thema Selbstwirksamkeit und negative Weltsicht.

Ich werde nun weiter nach einer ambulanten Psychotherapie suchen, rechne mir dabei aber keine großen Erfolgschancen aus. Auf viele e-Mail-Anfragen habe ich bereits abschlägige Antworten bekommen, die telefonische Suche steht noch aus, aber meine Motivation dafür ist gering. Am Besten schnappe ich mir gleich als Nächstes nochmal die Liste der Psychotherapeut*innen, die ich in der Klinik bekommen habe, und sortiere sie weiter vor, um die Hürde abzubauen, die vorsortierte Liste dann durchzutelefonieren. Mehr fällt mir als Möglichkeit zur Selbstverpflichtung und Senkung der Schwelle einfach nicht ein – und Ablenkung werde ich in Form von Friedenspreis- und Welthausdingen in nächster Zeit definitiv genug haben, so dass ich mich verpflichten und zwingen muss, wenn ich an der Therapiefront weiterkommen will.

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