Immer auf dem Teppich bleiben ;) – eine abc.etüde (3 Begriffe in maximal 300 Wörtern)

Tine hatte es sich auf dem Teppich vor dem offenen Fenster bequem gemacht. Es war ein lauer Frühlingsabend mit dem Duft von Flieder und Azaleen, dem Gesang verschiedenster Vögel und erfreulicherweise ohne Grillgestank der Nachbarn. Jede Luftbewegung aus Richtung Garten trug changierende Düfte und Klänge herein.

Ein anderer Duft verweilte trotz des offenen Fensters im Zimmer. Mit Möhren, Bananen, Mandarinensaft und viel Zimt hatte Tine einen köstlichen, saftigen Kuchen gebacken, verfeinert mit einer guten Menge Gras, das ein Freund ihr geschenkt hatte. Natürlich hatte er einen nicht unwesentlichen Teil in Form von Kuchen zurückbekommen – für eine Reise wie Tines heutige reichte ein einziges Stück. Unzählige solcher Kuchenstücke waren nun auf ihr eigenes und das Tiefkühlfach des Freundes verteilt und versprachen noch viele genussvolle Stunden. Der Kuchen war verdammt lecker geworden und seine Wirkung übertraf Tines Meinung nach sogar Zauberpilze.

Der Blütenduft aus dem Garten war wie ein warmer, weicher, beruhigender Klangteppich, eine Wall of Sound, gespickt mit dem hüpfenden und tanzenden Gesang von Fink, Meise, Amsel und sogar einer Singdrossel. Diese gläserne Klarheit des Klangs, die flatternde Leichtigkeit – keine Musik der Welt konnte schöner sein. Das schwebende Flirren des Vogelgezwitschers hatte etwas Glitzerndes. Der Klang schimmerte und blitzte in tausend brillianten Farben vieler Regenbögen, getragen und verbunden vom Summen gelegentlich durchreisender Insekten. Und wenn Tine sich die Vögel mit ihren so unterschiedlichen Federkleidern, die pelzigen Hummeln, schillernden Libellen und die knallbunt leuchtende Blütenpracht vorstellte, schienen diese Bilder direkt mit den wunderbaren Geräuschen zu korrespondieren. Der Klangteppich hatte ein Muster aus kaleidoskophaften Formen und Farben.

Der Garten musizierte für Tine. Nein, er führte ein ganzes Ballett-Theater auf. Sie lächelte und ließ sich tiefer in das watteweiche Luftkissen sinken, zu dem ihr Lager mutiert war und auf dem sie durch die Gartenszenerie glitt.

Die Wörter „Teppich“, „gläsern“ und „flattern“ spendete diesmal Myriade, die Schreiberin hinter „la parole a été donnée à l´homme pour cacher sa pensée„.

Die aktuelle Schreibeinladung zu den von Christiane mit ihrem Blog „Irgendwas ist immer“ betreuten abc.etüden findet Ihr hier.

17 Gedanken zu “Immer auf dem Teppich bleiben ;) – eine abc.etüde (3 Begriffe in maximal 300 Wörtern)

    1. kommunikatz sagt:

      Danke 🙂 Hehe, ich hab noch was im Tiefkühlschrank…
      Ich muss ja ehrlich gestehen, dass ich meinen Eltern dankbar für meinen zweiten Vornamen bin. Mit Blick auf „Alice im Wunderland“ haben sie mich Lea Alice genannt. Das verpflichtet 🙂

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    1. kommunikatz sagt:

      Danke. Es ist ja eine synästhetische Orgie, in der die Sinneswahrnehmungen ineinanderfließen, sich überlagern und ergänzen. Vielleicht habe ich in dieser Etüde ein bisschen zu dick aufgetragen, die Grenzen zwischen Wahrnehmung und Metaphorik verschwimmen zusätzlich zu denen zwischen den einzelnen Sinnen. Ich glaube, wenn ich mehr solcher Texte schreibe, glaubt mir irgendwann niemand mehr, dass ich blind bin 🙂 Aber für die Vorstellung von sowas reicht ein verflossener Minisehrest wohl aus.
      liebe Grüße
      Lea

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    1. kommunikatz sagt:

      Nicht nur da 🙂 In jeder zweiten meiner abc.etüden und anderen Kurzgeschichten kommt Gras vor 🙂 Ich empfehle eine nicht-abc.etüde, falls Du etwas Zeit hast – schau Dir mal meinen Beitrag „Das Bartschaf“ an 🙂 oder klick auf die Rubrik „Kurzgeschichten“ und dann such Dir da per Zufallsprinzip was aus – die Wahrscheinlichkeit ist relativ hoch, dass in den Stories entweder Cannabis oder Hunde vorkommen 🙂

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