Serbische Regierung versucht, Festival von Friedenspreisträgerorganisation YIHR zu verhindern

Gestern, am 27. Juni, hätte in Belgrad das kosovarisch-serbische Kulturfestival Miredita Dobar dan beginnen sollen. Veranstalterinnen sind die NGO Integra aus Pristina und die auf dem ganzen Balkan an der Vernetzung junger Menschen arbeitende Youth Initiative for Human Rights (YIHR), die am 1. September 2024 mit dem diesjährigen Aachener Friedenspreis ausgezeichnet werden soll. Gerade erreichte den Aachener Friedenspreis e.V. jedoch die Nachricht, dass der serbische Innenminister das Festival aus angeblichen Sicherheitsgründen untersagt hat. Es sollte eigentlich eine Plattform sein, die Kultur und Gesellschaft des Kosovo präsentiert und jungen Menschen einen Ort zur Begegnung und zum Austausch bietet. YIHR erhielt nun die schriftliche Aufforderung, die Versammlung und alle damit verbundenen öffentlichen oder geschlossenen Aktivitäten zu unterlassen oder abzubrechen. Der Aachener Friedenspreis e.V. fordert die serbische Regierung nachdrücklich auf, das Festival zuzulassen und ihrerseits vor Angriffen zu schützen.

Das Verbot trifft die ohnehin unter stetiger Bedrohung stattfindende Arbeit von YIHR hart, zielt sie doch genau auf solche Begegnungs- und Dialog-Events ab. YIHR organisiert in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens Jugendbegegnungen und Kulturveranstaltungen, um Ressentiments und Feindseligkeit unter den jungen Menschen abzubauen. Rechte Kräfte und vielfach auch die Regierungen selbst schüren diese bis heute und verhindern so, das Jugendliche vorurteilsfrei auf Gleichaltrige aus den Nachbarländern zugehen. „Junge Menschen haben den Krieg der 1990er Jahre nicht erlebt. Im Alltag sind sie ständig mit Heldengeschichten über die eigenen Leute und Hass gegen die ‚Anderen‘ konfrontiert und es braucht organisierte, geschützte Räume, um Begegnung und Annährung zuzulassen“, erklärt Lea Heuser, Pressesprecherin des Aachener Friedenspreis e.V. „Das jetzt aus angeblichen Sicherheitsgründen abgesagte Festival wäre ein solcher Ort der Begegnung und des Dialogs gewesen, wo nicht nur Jugendliche sich in einer positiven Atmosphäre hätten vernetzen können.“

Einer Stellungnahme von YIHR zufolge verstößt die serbische Regierung damit gegen ihre eigene Verfassung, insbesondere gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit. Sie gibt den Organisator*innen des Festivals die Verantwortung dafür, dass rechte Hooligans das Festival angreifen könnten und daraus ein Sicherheitsrisiko entstünde, „Ein klarer Fall von Täter-Opfer-Umkehr“, kommentiert Heuser. Vielmehr wäre es Aufgabe des serbischen Staates, das Festival vor Angriffen zu schützen. Dieselaut YIHR „hasserfüllte Kampagne“ werde ausgerechnet von denjenigen geführt, die für den Schutz der Menschen und die Förderung von Frieden und Normalisierung zuständig sind.

Schwere Vorwürfe macht YIHR besonders dem Kulturminister (Nikola Selakovic), der Ministerin für Familienfürsorge und Demografie (Milica Djurdjevic-Stamenkovski), dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Serbiens (Aleksandar Vulin), dem Bürgermeister von Belgrad (Aleksandar Sapic) und dem Innenminister (Ivica Dacic). Diese seien für die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig, seien aber zugleich die ersten, die zu Hass, Intoleranz und Feindseligkeiten aufriefen. „Mirëdita, Dobar dan ist nicht der Feind des Staates, sondern die Hooligans, für die er Partei ergriffen hat und für die er seine eigenen Verpflichtungen nicht erfüllt hat. Die grundlegende Aufgabe des Staates ist es, die vom Gesetz garantierten Freiheiten und Rechte zu gewährleisten und die Menschenrechte angemessen zu schützen“; heißt es weiter in der Stellungnahme. Die Stellungnahme im Wortlaut auf Englisch ist hier zu finden.

Der Preis an YIHR und die Omas gegen Rechts wird am 1. September 2024 ab 19 Uhr in der Aula Carolina verliehen. Auch ein Livestream der Veranstaltung ist wieder geplant.

Seit 1988 zeichnet der Aachener Friedenspreis e.V. alljährlich Menschen und Gruppen aus, die an der Basis und oft aus benachteiligten Positionen heraus für Frieden und Verständigung arbeiten. Die Kriterien sind Teil der Gründungserklärung des Vereins“. Geehrt werden vor allem noch unbekannte Projekte oder Personen, die durch die öffentliche Aufmerksamkeit genauso viel Unterstützung erfahren wie durch das Preisgeld von jeweils 2.000 Euro. Eine Auszeichnung mit dem Aachener Friedenspreis verschafft Initiativen, die für den Frieden arbeiten nicht nur öffentliche Aufmerksamkeit sondern schützt bedrohte und in schwierigen Bedingungen arbeitende Gruppen dadurch auch vor Repressionen und Gewalt.

Der Preis ist meist zweigeteilt und geht entsprechend an zwei verschiedene Initiativen oder Einzelpersonen, die sich von unten für Frieden und Dialog zwischen Konfliktparteien einsetzen. Wer den mit jeweils 2.000 Euro dotierten Preis erhält,  entscheidet die Mitgliederversammlung des Vereins. Vorschläge kann aber jeder interessierte Mensch einbringen, egal ob Vereinsmitglied und egal ob aus Aachen oder nicht. Aus den eingehenden Vorschlägen wählt der Vorstand die fünf förderungswürdigsten aus und legt sie der Mitgliedschaft vor. Die Mitgliederversammlung wählt dann die letztendlichen Preisträgerinnen oder Preisträger.

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