Im Aachener Dialekt, dem sogenannten Öcher Platt, das ich Dank meiner Oma und meines Grundschullehrers immerhin rudimentär spreche, dafür aber recht gut verstehe, haben wir das schöne Wort „fimpen“. Das Verb bedeutet „mit dem Feuer spielen“ und wird daher gerne von Müttern benutzt, die ihre Kinder zurechtweisen, eben dies nicht zu tun. Dass ich hier nur von Müttern schreibe, liegt vermutlich daran, dass mein Vater in meiner Kindheit genauso gerne fimpte wie ich, so dass er in einer schlechten Position war, mich dafür zu rügen. Zum Leidwesen meiner Mutter wünschte er sich innig einen Kaminofen, den er gegen ihren Protest auch irgendwann kaufte und einbaute. Ich weiß nicht mehr, wie alt ich da war, aber schätzungsweise nicht älter als 8 oder 9.
Ich konnte Stunden lang vor der geschlossenen oder – noch lieber – offenen Ofentür sitzen, das Feuer beobachten und die Wärme auf meinem Gesicht genießen. Feuer hatte den Vorteil, hell zu sein, je stärker es brannte. Und Licht fand ich toll, das konnte ich sehen. Angeblich war „Licht“ sogar eines meiner ersten Worte als Baby. Also fütterte ich das Feuer mit Kartonschnipseln, Stöckchen oder – das war besonders lustig – einmal mit den Kügelchen, die ich aus einer nicht explodierten Silvesterrakete herausoperiert hatte und die kleine, bunte Stichflammen erzeugten, wenn ich sie ins Feuer warf. Ich fand es toll, meine Mutter fand es gruselig weil gefährlich und ungesund.
Ungesund ist Feuer definitiv, erzeugt es doch jede menge Feinstaub, CO2 und giftige Dämpfe, je nach dem, was mensch verbrennt. Ich war daher nicht begeistert, als vor Jahren auch der Engländer mit dem Ansinnen ankam, einen Holzofen zu kaufen. Einen freien Kaminzug gab es in meinem Haus, einen geeigneten Platz zum Aufstellen des Ofens auch. Obwohl ich nein sagte, kaufte er das Ding, in der sonderbaren Überzeugung, mit Holz statt der neuen, effizienten Brennwert-Gastherme zu heizen, sei irgendwie ökologischer. Sehr lange stand der Ofen eigentlich nur ungenutzt rum, weil ich immer wieder intervenierte, wenn er ihn anfeuern wollte. Nur ganz selten ließ ich es zu.
Erst Putins Angriff auf die Ukraine und die folgende Gasknappheit motivierten mich, mir einen Holzvorrat anzulegen, um an sehr kalten Tagen quasi zuheizen zu können. Die Gasheizung lief im Minimalbetrieb, weil ich mir in den Kopf gesetzt hatte, dass 16°C und ein dicker Pullover genug sein mussten. Als es im Dezember ein paar Tage lang knackig kalt war, blieb ich noch standhaft. Aber als der Januar wieder eine kleine Kältewelle mit Tage lang andauernden Temperaturen um oder unter 0°C brachte, fing ich doch an, dem Holzstapel im Gewächshäuschen zu Leibe zu rücken.
Es kam, wie es kommen musste: Das Fimpen zog mich wieder in seinen Bann. Ich versuchte, mir selbst gut zuzureden und mich davon zu überzeugen, dass mich der Qualm aus den Nachbarhäusern doch immer so nervte und dass Holz eine geniale CO2-Senke ist, aus der ich das Klimagas nicht durch Verbrennung befreien will. Trotzdem tat die Wärme und das Licht so gut und die Bonuswärme half enorm, wenn ich Wäsche trocknen musste. Das Holz meines Kirschbaums und einer in der Nachbarschaft gefällten wilden Pflaume duftete herrlich, wenn es brannte. Mein Vater hatte mich zusätzlich mit dem zerlegten Stamm eines Baums versorgt, den er zur Vermeidung von Nachbarschaftsärger im Garten seines Mehrfamilienhauses hatte fällen müssen. Und dieses Holz zu verbrennen, hatte er mir quasi aufgetragen.
An besonders kalten Abenden wurde es beinahe zu einem Ritual, den Ofen anzumachen und im Laufe der folgenden Stunden immer wieder nach dem Feuer zu sehen, es neu anzufachen, Holz nachzulegen oder manchmal auch einfach nur ein benutztes Taschentuch oder ein Stück Baumrinde hineinzuwerfen. Rinde mit Moos darauf knistert herrlich, die Rinde mancher Hölzer hat einen wunderbaren Duft. Mich wärmte nicht nur die Wärme – auch das alte, vertraut-nostalgische und reizvoll-verbotene Spiel mit dem Feuer gab mir ein Gefühl von Geborgenheit. Und das war es, was mir die ganze Zeit so sehr fehlt. Geborgen und zu Hause sein, dazugehören, richtig sein und nicht unter irgendeinem Druck oder in irgendeiner Kritik stehen. Natürlich kann ein Holzofen das alles nicht bewirken,aber die Wärme und der Duft lindern ein bisschen die Leere, die sich vor allem abends in mir ausbreitet.
Das schlechte Gewissen wegen Feinstaub und CO2 gibt es dazu freihaus, aber das ofenfertig gehackte Holz im Gewächshaus liegen zu lassen, wäre auch Unsinn, habe ich beschlossen. Gerade brennt der vorerst letzte Stoß und Einiges an Papiermüll und Reisig, was noch als Anfeuermaterial herumlag. Eigentlich möchte ich den Winter damit beenden, da ich mit keinem weiteren Kälteeinbruch rechne. Tagestemperaturen von 8°C sind für mich schon Frühling. Jetzt möge nur noch irgendeine Art von nachhaltiger Abhilfe gegen meine innere Leere auftauchen, dann kann das Jahr Fahrt aufnehmen.
Und ich kann es doch nicht lassen… Es sind 0°C draußen und mir ist usselig kalt, wie mensch in Aachen sagt. Also wieder fimpen 🙂 ist ja auch immernoch Holz da.
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Schade, dass ich nicht mehr bei dir wohne. Ich hatte mich ja sehr auf den Kaminofen gefreut, weil ich offenes Feuer auch so sehr liebe. Nun hat es nicht sollen sein. Für mein Asthma wäre der Feinstaub, bei aller Gemütlichkeit, ohnehin nicht gut gewesen.
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Erstens das und zweitens ist das Feuer ja nicht offen sondern hinter der Glastür, es sei denn, ich fimpe gerade, was ich just jetzt wieder tue, weil Wäsche im Wohnzimmer hängt und es hier trocken werden soll 🙂
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