Highly soothing

In den letzten Beiträgen der Highly-Reihe klang alles rosig und schön. Aber wer dieses Blog regelmäßig verfolgt, weiß auch um die dunkle Seite meiner Psyche, die Depression, die da, meist unter der Oberfläche, vor sich hin existiert. Sie ist nicht dramatisch, mein Alltag funktioniert noch und ich kann den Schein wahren, ein okayes Leben zu haben. Aber oft genug verlangt mir das auch Einiges an Schauspielerei ab und ist verdammt anstrengend. Es gibt nicht selten Tage, an denen ich nach getaner Arbeit in ein Loch falle und nichts mit mir anzufangen weiß. Ich spüre oft, wie eine negative Stimmung sich meiner bemächtigt, die ich tagsüber nur durch Arbeit in Schach halten kann. Aber wenn ich zu erschöpft und ausgelaugt bin, ist Arbeiten keine Lösung. Und auch Zeitung lesen oder Podcasts hören hält die Traurigkeit nicht immer zuverlässig fern.

Ich fühle dann Wut oder Tränen in mir aufsteigen und weiß gleichzeitig, dass beides weder einen konkreten Grund noch ein Ziel hat. Ich weiß, dass ich es nicht zulassen darf, auszurasten oder loszuweinen, weil Arzu dann Angst vor mir bekommt und flüchtet. Das möchte ich nicht, ganz abgesehen davon, dass ich mich auch einfach nicht so fühlen möchte. Zum Glück habe ich für solche Momente einen Notfallplan, ähnlich wie das Notfallmedikament einer psychisch kranken Person, das, im richtigen Moment eingenommen, den Einschlag einer psychotischen Atombombe verhindern kann – die Formulierung ist nicht von mir, ein von Psychosen betroffener Bekannter drückt es immer so aus.

Mein Notfallmedikament ist Cannabis. Der Kloß im Hals wird nach wenigen Zügen an der Pfeife weich und löst sich auf, die Tränen versickern in ihren Kanälen, bevor sie herausquellen können. Wie eine weiche, wärmende Decke legt sich das High auf mein Gemüt, hüllt mich flauschig ein und dämpft die spitzen und scharfen Zynismen, an denen meine Psyche sich wund zu scheuern und blutig zu stoßen droht. Die Gründe bleiben da, nur ihre Effekte werden entschärft, verlieren Zähne und Krallen oder zumindest ihre verletzungsmächtige Gefahr. Manchmal fühle ich mich dann im gleichen Moment federleicht und steinschwer. Ich singe und es fühlt sich an wie Weinen, ich schlurfe müde dahin und es fühlt sich an wie Schweben. Erst, wenn das High wirklich da ist und sich mein Zustand für eine Ausprägung entschieden hat, in eine Richtung gekippt ist, erreiche ich den hier beschriebenen Effekt.

Dann erst bin ich distanziert von Wut und Traurigkeit, gleite durch Eindrücke und Gedanken und beobachte die Welt von außen, allein und weit weg auf meiner kuscheligen Wattewolke. In diesem Zustand schlafen zu gehen, Ruhe und Geborgenheit zusammen mit einer Wärmflasche und der seelig schnarchenden Arzu mit in mein Bett zu nehmen, beendet auch den frustrierendsten, anstrengendsten Tag versöhnlich und erholsam.

Die Frage, ob sich mein Verhältnis zu Cannabis als Sucht qualifizieren lässt, beantwortet sich ein Stück weit auch durch dieses Beispiel. Körperlich abhängig macht Cannabis in der Regel nicht, eine psychische Abhängigkeit kommt jedoch häufig vor. Wobei in ähnlicher Weise dann sehr viele Menschen auch von Schokolade oder Kaffee abhängig sind. Lernpsychologisch ist das leicht erklärt: Ich merke, dass mir etwas gut tut, ich davon wacher, zufriedener oder ruhiger werde. Dieses gute Gefühl möchte ich wieder haben und reproduziere es durch den Substanzgebrauch immer dann, wenn ich es haben will. So weit, so gut, mit der lindernden Wirkung von Kopfschmerztabletten und sogar dem als positiv erlebten Placebo-Effekt homöopathischer Globuli ist es nicht anders. Auch von unserer Lieblingsspeise, einem geliebten Menschen oder Tier sind wir psychisch abhängig, denn alles das tut uns gut und wir wollen diesen angenehmen Effekt wieder und wieder erleben.

Insofern bin ich von Cannabis nicht abhängiger, als es der oben erwähnte Psychosepatient von seinen Medikamenten ist. Ich bin es dann auch von meinem Schilddrüsenmedikament oder meinem Antidepressivum, denn ohne Beide geht es mir spürbar schlechter. Nicht so schlecht, dass ich anfange, zu zittern oder am Rad zu drehen, aber doch so, dass ich es unangenehm finde. Es geht gut ohne, aber ich möchte es nicht, weil mit einfach schöner ist. Falls ich also psychisch abhängig sein sollte, ist das für mich ok. Ich weiß, dass ich auf Cannabis deutlich leichter verzichten kann, als auf Arzu, so what.

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