Der Labortisch war voller Reagenzgläser, Schläuche und blubbernder Flüssigkeiten, wie in einem schlechten Film. Dana arbeitete noch nicht lange hier. Ihre Ausbildung zur chemisch-technischen Assistentin hatte sie erst vor einem Dreivierteljahr abgeschlossen und die Stelle wohl nur so schnell bekommen, weil ihr Lebenslauf auch ein beinahe abgeschlossenes Chemiestudium umfasste. Vollendet hatte sie es nie, weil ein Lehrstuhlmitarbeiter ihr erst eine Affäre aufgedrängt und sie dann nach allen Regeln der Kunst aus dem Institut geekelt hatte.
Jetzt stöpselte sie Auftragsarbeiten für übermächtige Geldgeber zusammen, die sie weder verstand noch interessant fand. Diesmal war es eine Werkstoffanalyse. Andere in ihrem Fach verdienten sich gerade die Lorbeeren ihres Lebens, indem sie in medizinischen Laboren Covid-19-Impfstoffe mitentwickelten. Bis zu solchen Weihen musste sie noch sehr weit die Karriereleiter hinaufklettern. Wieso war sie nicht von Anfang an mehr in Richtung Medizin oder Pharmazie gegangen?
Ein Klopfen schreckte Dana auf. „Ja, bitte?“ rief sie, ohne sich vom laufenden Versuch abzuwenden. Die Tür öffnete sich und eine vertraute Stimme sagte „Entschuldigung, ich suche Herrn Lüdenscheidt“. Verdammt, was machte dieser Idiot hier? „Nebenan, im Büro“, erwiderte sie, sehr darauf bedacht, nicht zur Tür zu schauen. „Danke“ – die Tür schloss sich wieder und Dana atmete auf. In der Mittagspause würde sie den Kollegen Lüdenscheidt fragen, was der Hochschulfuzzi hier trieb. Auftraggeber konnte er kaum sein, die Uni hatte schließlich selbst die besseren Labore und war nicht auf Klitschen wie diese angewiesen.
„Ach, der kommt von einer kleinen Uni-Ausgründung. Die lassen ihn nicht mehr in ihre Labore, weil er sich da wohl unbeliebt gemacht hat, deshalb haben wir seine Aufträge jetzt geladen… Du hast da doch auch mal rumgewirtschaftet, kennst du den?“ „Höchstens flüchtig. Er hat mich vorhin in einem heiklen Versuchsabschnitt gestört und ich war etwas angepisst. Vergiss es, nicht wichtig.“ Sie würde wohl auf der Hut bleiben müssen.
Hier geht es zur aktuellen Schreibeinladung der lieben Christiane von „Irgendwas ist immer„. Damit sind wir schon in der letzten abc.etüden-Runde vor der Sommerpause, in der ich hoffentlich wieder etwas mehr Muße zum Schreiben habe als in den letzten zwei Wochen. Die Wörter für die Textwochen 26/27 des Schreibjahres 2020 spendete Stepnwolf vom Blog „Weltall. Erde. Mensch…und Ich„. Sie lauten „Reagenzglas“, „übermächtig“ und „vergessen“.
War das etwa der, der sie nach allen Regeln der Kunst vergrault hat? Uh. Ein Labor des Schreckens.
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Yep, so war es gedacht. Wobei ich das vielleicht noch etwas deutlicher hätte herausarbeiten müssen, aber es war eine Wortzahlpunktlandung, da ging mir ein bisschen der Spielraum verloren 😉 Ich hoffe, es kommt trotzdem rüber.
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Ja, die Antipathie war sehr deutlich herauszuhören… ich wollte bloß sichergehen. 🙂
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Schön, das mit der Chemie, im doppelten Sinn. Ja, wenn die nicht (mehr) stimmt, dann ist Generve Tür und Tor geöffnet …
Liebe Grüße, schönen Abend
Christiane 😁🍷👍
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Schön, wenn man mit Sprichwörtern arbeiten kann. Chemisch und literarisch.
Was sich da wohl im Weiteren zusammenbraut? 😉
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Mal sehen, ob ich eine Fortsetzung schaffe. Die Story schreit eigentlich danach, aber ich bin zur Zeit leider nicht in bester Schreibverfassung.
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Kenne ich zu gut. Bei mir ist es zu oft das ominöse RL, dass mir einen Strich durch die (Schreib)Rechnung macht.
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Yep, sollte verboten werden, diese beknackte reale Welt 😉 Momentan kritzelt die mir sowas von viele Striche durch alles Mögliche, das ist schon echt nicht mehr fair… 😉
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das konnte man aus den Zeilen herauslesen, was für ein Vogel das war.
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Schöne Wortspiele. Die Chemie sowie auch „eine Affäre aufgedrängt“. Letzteres ist auch ideal, um in eigenen Erfahrungen zu schwelgen oder zu kramen – je nach Standort. Und die Geschichte eckt nicht…
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